2011 – 50 Jahre Mauerbau. Rückblicke auf dieses monströse Bauwerk sind derzeit in allen Medien und persönlichen Diskussionen omnipräsent. Meist erfolgt diese historische Analyse recht sachlich, jedoch sind auch hin und wieder abenteuerliche Auswüchse zu verzeichnen, wie folgende Beispiele zeigen sollen.
So warteten unlängst Heinz Keßler (91), seines Zeichens ehemaliger DDR-Verteidiungsminister und sein Adjudant und Ex-Stabschef Fritz Streletz (84) mit ihrem neuesten Buch auf, indem sie ein Loblied auf die Mauer, Verzeihung, den antifaschistischen Schutzwall singen. Kritik oder etwa Bedauern im Hinblick auf die kaltblütig erschossenen Maueropfer sucht man darin natürlich vergebens. Um den ganzen die Krone aufzusetzen, fand dazu auch noch eine öffentliche Lesung statt, die auch von einer ganzen Reihe ewig Gestriger und Neugieriger besucht wurde. In komödienstadlhafter Weise betitelten sich die beiden protagonierenden Greise dort mit „Genosse Minister“ und „Genosse General“, bevor sie alte Zeiten glorifizierten und Hasstiraden auf die gegenwärtige Gesellschaftsordnung vom Stapel ließen. Ob ihnen abei bewusst war, dass sie damals in der DDR jeden, der sich anschickte auch nur im Privaten derart loszuwettern, hinter Schloss und Riegel gebracht hätten? Egal. Höhepunkt des skurilen Schauspiels waren dann von im Auditorium versammelten Altgenossen und -stalinisten frenetisch beklatschte Äußerungen wie: „Es gab kein anderes Land im früheren Ostblock, dass so brüderlich zur Sowjetunion stand wie die DDR. Und es gab kein anderes Land, dass so feige und hinterhältig von Gorbatschow verraten wurde wie die DDR“. Und schließlich war ja nicht alles schlecht (gerade für Leute in ihrer Position). Klar, es ist nie alles schlecht. Aber es war eben auch nicht alles gut. Also warum meinen diese beiden SED-Dinos, ihre geistigen Ergüsse der Welt mitteilen zu müssen? Reicht die Rente nicht oder sollten dies erste Anzeichen von Altersdemenz sein. Obwohl, wäre die Wende nicht gekommen, wäre Keßler mit seinen 91 Lenzen sicher noch Verteidigungsminister. Naja, lassen wir sie.
Für einen weiteren Beitrag zu diesem Thema sorgte das linke Hetzblatt „Junge Welt“. Pfiffigen Redakteuren gelang ein Geniestreich, um den 50 Jahrestag des Mauerbaus zu preisen. Die Zeitung titelte mit dem altbekannten Foto der Betriebskampfgruppen am Brandenburger Tor und dem Schriftzug „DANKE“. Danke wofür? Die weitere Lektüre gab Aufschluss:
- DANKE für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa
- DANKE für 28 Jahre Clubcola und FKK“
- DANKE für 28 Jahre ohne Praxisgebühr
- DANKE für 28 Jahre ohne Hartz-Vier
- DANKE für 28 Jahre Versorgung mit Krippen- und Kindergartenplätzen
- für 28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe
Gerade der letzte Punkt dürfte für alle Verfolgten der ach so demokratischen Republik eine schallende Ohrfeige sein. Kurz zur Erinnerung: Hohenschönhausen war die Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit, Hubertus Knabe ist der Leiter der heute dort befindlichen Gedenkstätte. Geht’s noch? Mit anderen Worten, DANKE für die schönen Zeiten, als Hohenschönhausen noch Knast für Regimegegner war. Sehr originell.
Der geneigte Leser wird inzwischen festgestellt haben, dass in der Liste einige Punkte unterschlagen wurden:
- DANKE für 28 Jahre Eingesperrtsein
- DANKE für 28 Jahre Gehirnwäsche und politische Indoktrination bereits in den unter Punkt 5 gepriesenen Kindergärten
- DANKE für 28 Jahre Bespitzelung
- DANKE für 28 Jahre Unterdrückung Andersdenkender
- DANKE für 28 Jahre Mangelwirtschaft
- DANKE für Wartezeiten von durchschnittlich 14 Jahren auf einen Trabant
- DANKE für Bananen 2 Mal im Jahr unter Vorlage des Personalausweises
Also wenn schon, dann bitte komplett. Es bleibt fraglich, was die Macher des Blattes zur Veröffentlichung einer derartig lächerlichen Liste veranlasst hat. Wollte man alte Genossen beeindrucken oder provozieren oder einfach sagen „uns gibts auch noch“? Es dürfte jedem durchschnittlich intelligenten Menschen klar sein, dass auch heute nicht alles optimal läuft und Viele mit großen Problemen zu kämpfen haben. Aber rechtfertigt das, eine Diktatur zu glorifizieren, wo Menschenrechte, wenn sie nicht in den Kram der versteinerten Führungsriege passten, mit Füßen getreten wurden? Sicherlich nicht.
Werte Herren Keßler und Streletz, liebe „Junge Welt“, die Zeiten, als Ernst Busch munter trällerte „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht“ sind Gott sei Dank vorbei.