Seit geraumer Zeit herrscht ein Flächenbrand im arabischen Raum. Ein despotisches Regime nach dem anderen fällt. Einer der jüngsten Schauplätze: Libyen. Während Ben Ali und Mubarak noch relativ schnell die Segel strichen, gibt sich Revolutionsführer Gaddafi zäher.

Heute überraschte der seit 42 Jahren!!! herrschende Despot, dessen Leibgarde ausschließlich aus Frauen besteht,  mit zwei Fernsehauftritten, die an Komik ihres gleichen suchen. Die erste mediale Präsenz dauerte lediglich 20 Sekunden und negierte Gerüchte, Gaddafi sei nach Venezuela geflüchtet. Der Diktator hielt einen weißen Regenschirm aus der geöffneten Autotür und sagte mit verduztem Gesicht: „Ich wollte mit den jungen Leuten auf dem Grünen Platz reden und mit ihnen die Nacht verbringen, doch dann kam der  Regen. Hiermit zeige ich: Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela.“ Sprach’s und fuhr davon. Wären die Begleitumstände dieser schizophrenen „Rede“ nicht so dramatisch, käme man aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Den Gipfel stellte dann jedoch eine einstündige Ansprache ans Volk am heutigen Nachmittag dar. Gaddafi, im Beduinen-Look“, schickte sich an, im Staatsfernsehen über die aktuelle Lage im Land zu sprechen. Die Muster waren die gleichen wie in allen anderen Diktaturen, die sich mit großen Schritten dem Ende nähern. Da wird schonmal ein Heer von hundertausenden Demonstranten zu „ein paar irregeleiteten Jugendlichen“ verharmlost. Und – jetzt kommt’s – diese sind auch nicht aus freien Stücken auf der Straße. Nein, amerikanische und andere westliche Agenten gehen von Haus zu Haus, kidnappen Jugendliche, füllen sie mit Alkohol ab und flößen ihnen Halluzinationspillen ein. Jetzt ist es raus. Unglaublich.

Der Rest der Rede bestand im Wesentlichen aus offenen Drohungen ans eigene Volk. Nachdem die Warnungen seines Sohnes (40 Jahre Bürgerkrieg, Brot wird so teuer werden wie Gold, wir kämpfen bis zur letzten Patrone) die vom Westen verhetzen Jugendlichen nicht von der Straße brachten, wurde nun nachgelegt. Man rühmte sich ausschweifend der eigenen Leistungen und Errungenschaften der letzen Jahrzehnte und bekräftigte, nie und nimmer Libyen zu verlassen sondern eher als Märtyrer zu sterben. Hätte er ein politisches Amt, wäre er schon längst davon zurück getreten. Hat er aber nicht, er ist nur „Revolutionsführer“. Es folgten einige Hetztiraden auf den Westen und die Verlesung einer Endlosliste von „Verbrechen“ (landesverräterische Demonstrationen, Unterstützung ausländischer Kräfte etc.) auf die die Todesstrafe steht und angewendet werden wird. Es wurden „ausländische Lügen“ angeprangert, wonach das Militär mit scharfer Munition und Kampfflugzeugen auf Demonstranten feuert. Die entsprechenden Fernsehsender, die dies mit Bildern belegen, wurden natürlich abgeschaltet. Der Schwachsinn gipfelte schließlich in der Aussage, er habe bisher noch keine Gewalt anwenden lassen, werde dies, falls die Demonstrationen nicht aufhören, mit aller Härte tun. Er werde jedes einzelne Haus „von diesen opportunistischen Elementen säubern lassen“. Stellt sich die Frage, wer hier Pillen genommen hat.

Das Ausland ringt sich halbherzig zur Verurteilung der Vorgehensweise des libyschen Regimes durch. Insbesondere die EU tut sich damit schwer, Deutschland prangerte heute als letztes Mitgliedsland!!! die Zustände im nordafrikanischen Land an. Kein Wunder, hofierte man Gaddafi doch in den letzten Jahren und stellte Libyen als „Vorzeigestaat dar“.  Ein Schelm, wer dabei Wirtschaftsinteressen vermutet. Sicher wird es nur noch wenige Tage dauern und die Herren können sich von Fotos wie dem folgenden distanzieren.

Bleibt zu hoffen, dass auch das libysche Volk seinen Despoten in die Knie und anschließend zur Flucht zwingt, so dass die an die 1000 Todesopfer der vergangenen Tage nicht umsonst gestorben sind. Als kleine Geste der Hilfe wäre zu begrüßen, wenn der heute tagende Sicherheitsrat (gestern war ja Feiertag in den USA und daher arbeitsfrei) sich zur Einrichtung einer Flugverbotszone über Libyen durchringt und diese auch durchsetzt, um dem barbarischen Treiben des geisteskranken Revolutionsführers zumindest Grenzen zu setzen.

Der heutige 11. Februar wird in die Geschichte eingehen. Um ein Haar hätte er unser aller Leben auf immer verändert, doch eine Verkettung mysteriöser Umstände, die wohl erst in Jahren an die Öffentlichkeit dringen werden, rettete die Welt wie wir sie kennen.

Gestern, am 10. Februar, kam es zu einem heftigen Streit zwischen dem letzten starken Verbündeten des Westens im Nahen Osten- König Abdullah (Saudi Arabien) und dem US Präsidenten Obama. Der König von Saudi Arabien machte unmissverständlich klar, dass er seinem engsten Freund Mubarak, notfalls mit Waffengewalt, helfen will. Das Gespräch, bei dem Obama regelrecht „abgekanzelt“ worden sei, wurde der Presse zugespielt und bestätigt.

Nun muss man wissen, dass die Politik und Wirtschaft weltweit von einem Rücktrittsaufruf gegenüber Mubarak absah, da man auf die Gelder, das Öl und das Wohlwollen aus dem Nahen Osten angewiesen ist. Das ist der Grund warum Merkel, Obama und Co. sich außer Stande sahen den Rücktritt Mubaraks lautstark zu fordern.

Gestern Nachmittag verkündete Mubarak dann eine Ansprache für den Abend, weltweit wurde bereits sein kommender Rücktritt angenommen und verkündet. Doch es kam anders.

Mubarak trat nicht zurück, sondern übergab einen Teil der Macht an seinen Stellvertreter Suleiman. Dies vor dem heutigen Freitag, an dem wieder riesige Proteste angekündigt waren, zu tun ist eiskaltes Kalkül. Mubarak wollte die Lage im Land bewusst eskalieren lassen. Da er annehmen konnte, dass sein Militär auf der Seite des Volkes bleibt, hätte er nun die Hilfe Saudi Arabiens anfordern können um die „innere Sicherheit“ wiederherzustellen und den „Militärputsch“ abzuwenden.
Damit hätte er seine Lage stabilisiert und mit saudischer Militärhilfe sämtliche Aufstände niederschlagen können.

Während saudische Panzer in Kairo aufrücken, hätte die westliche Welt schweigen müssen, um Öl und Geld aus Saudi Arabien sicherzustellen. Nur eine kleine Kritik am saudischen König könnte einen diplomatischen Tsunami auslösen. Gleichzeitig hätte sich aber die Bevölkerung der westlichen Welt in offenem Protest mit der ägyptischen Bevölkerung solidarisiert. Es wäre ein Teufelskreis entstanden. Westliche Bürger, die offen die Ächtung der Entwicklung fordern, Politiker die dies aber glauben nicht tun zu können. Das Ganze unter der ständigen Androhung von Sanktionen seitens des Nahen Ostens.

Doch es kam anders. Zufällig starb heute, einen Tag nach seiner telefonischen Drohung gegenüber den USA, der saudische König Abdullah. Entsprechende Meldungen werden in wenigen Stunden über die Ticker gehen. Mubarak, der nun allein in weiter Flur steht, flüchtet aus Ägypten, womit eine extreme weltweite Eskalation vorerst abgewendet scheint.

Die Unruhen in der arabischen Welt, insbesondere in Ägypten, beherrschen nach wie vor die Medienlandschaft. Fast überall in freiheitsliebenden Ländern (außer im Falle von nicht ernstzunehmenden Politikern wie Berlusconi) werden die Bemühungen der Araber um ein Ende jahrzehntelanger Diktatur und Unterdrückung begrüßt. Just in diese Welle der internationalen (geheuchelten) Betroffenheit warten deutsche Spitzenpolitiker mit einem neuen Geistesblitz auf: Warum Mubarak nicht nach Deutschland einladen?

Kurz zum Hintergrund. Die Luft wird für Mubarak nach 30 Jahren eisernen Herrschens langsam knapp in Kairo. Zeit also, sich Gedanken um die eigene Zukunft zu machen. Noch gibt man sich stur, Massendemonstrationen interessieren ihn wie Meinungen aus dem Ausland überhaupt nicht, schließlich will man ja „in Ägypten sterben“. Stattdessen wird auf Zeit gespielt und zaghafte Reförmchen ins Auge gefasst. Natürlich bleibt während dieser Phase der präsidentialen Meinungsbildung das Internet erstmal zumindest teilweise blockiert und der Lügen verbreitende Hetzsender Al-Jazeera abgeschaltet. Unterdessen gehen die Massendemonstrationen weiter. Es bleibt also spannend, wie und vor allem wann das bereits begonnene Ende der Ära Mubarak zum Abschluss kommt.

Einen Trumpf hat man noch im Ärmel: Man ist krank. Dies ist ein weiteres Phänomen, dass man bei sehr vielen Diktatoren findet. Bis gestern noch im Amt, man fühlte sich pudelwohl (alles andere hätte ja auch als Schwäche gedeutet werden können und die Macht gefährdet). Wenn da nicht die Demonstranten wären, würde man auch mit 82 Jahren in die nächste Präsidentschaft gehen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Also sind wir schonmal krank. Diese Strategie wurde schon von Honecker und kürzlich auch Ben Ali praktiziert. Und obwohl es dem Land unter der eigenen Diktatur ja blühend ging, muss man sich natürlich im Ausland behandelt lassen. Versteht sich von selbst.

Soweit so gut. Was um Himmels Willen reitet jetzt aber deutsche Politiker sich UNGEFRAGT in einer derartig peinlich-dümmlichen Art und Weisen anzubiedern, Herrn Mubarak aufzunehmen? Laut Regierungssprecher gab es keinerlei Anfrage Mubaraks, nach Deutschland auszureisen. Schade, finden manche deutsche Politker – bieten wir es ihm doch explizit an. Laden wir ihn doch auch dieses Jahr wieder zum Kuren in Deutschland ein und bieten ihm an, diesen Aufenthalt auf unbegrenzte Zeit zu verlängern (wahrscheinlich auch noch auf Steuerzahlerkosten, damit sein 70 Mrd.-Dollarvermögen unangetastet bleibt, falls mal schlechte Zeiten kommen).

Leichte bis mittelschwere Übelkeit befällt den geneigten Leser jedoch spätestens, wenn man sich die Begründung unserer Politiker für diese Anbiederung an einen Diktator anhört. Die Schwachsinnspalette reicht hier von „humanitären Gründen“ bis hin zu „Mubarak einen würdigen Abgang ermöglichen“.

Welcher Abgang ist wohl eines Dikators a la Mubarak würdig? Einem Mann, der sich schamlos aus der Staatskasse bediente, der die Korruption zum Staatswesen machte, der seit 30 Jahren den Ausnahmezustand aufrecht erhält, der einen Polizeistaat aufgebaut hat, Andersdenkende ins Gefängnis warf und foltern lies? Der einzig würdige Abgang für einen derartigen Verbrecher ist die Verhaftung und Anklage. Komischerweise wurde genau so damals mit Honecker verfahren und der war kein so großes Kaliber wie Mubarak. Na gut, Honecker hatte kein Erdöl. Hundertmal am Tag hört man von deutschen Politikern, „das Schicksal Ägyptens solle allein in den Händen der Ägypter liegen“. Richtig. Und dazu gehört auch das Schicksal des (noch amtierenden) Präsidenten. Ob dieser außer Landes gejagt wird, verurteilt und inhaftiert wird oder an die Wand gestellt wird, geht Deutschland mit Verlaub einen feuchten Kehrricht an. Also bitte den Mund halten und nicht ungefragt derartig fragwürdige Angebote machen. Es könnte in der Welt missverstanden werden.

Sollt es aber tatsächlich dazu kommen, dass Mubarak hierzulande auftaucht und ihm Unterschlupf gewährt wird, bleibt von Herzen zu Wünschen, dass die Demonstrationen, die derzeit in Ägypten stattfinden 1:1 vor den Reichstag verlagert werden.

Gerade über Kapitel 12 meines neuen Buches vertieft, erreicht mich eine traurige Meldung, die doch schon einen Monat alt ist.

Am 09.Januar dieses Jahres verstarb Debbie Friedmann. Hierzulande den allerwenigsten bekannt, komponierte Friedmann über Jahrzehnte jüdische, synagogale Musik. Sie bewegte Millionen Menschen mit ihren Gebeten und Konzerten und hinterlässt ein Lebenswerk das nie vergehen kann.

Sie verstarb kurz vor ihrem sechzigsten Geburtstag, an einer Lungenentzündung im Orange County Hospital. Mich wird sie mit ihrer unglaublichen Art, Musik und Wesen auf ewig begleiten…

Deborah Lynn Friedman
23.Februar 1951 – 09.Januar 2011

Für die deutschen Medien, welche so eben erst den „Aufstand der arabischen Welt“ entdeckt haben, ist die ganze Nummer noch ein normaler Regimesturz. Andere Schreiberlinge bemühen sich emsigst Glauben zu machen, es gehe eine islamistisch, terroristische Gefahr vom Freiheitswillen der arabischen Mittelschicht aus.

Doch nirgends habe ich gelesen, dass jemand die Ereignisse in die richtigen Zusammenhänge der letzten 30 Jahre bringt. Daher will ich das heute tun:

Warum gehen ausgerechnet jetzt die Bürger der halben arabischen Welt auf die Straßen?

Zum einen liegt ein Missverständnis vor. Nicht die halbe arabische Welt, sondern die halbe Welt als solches. Tunesien, Marokko, Ägypten stehen bis jetzt nur im Schlaglicht der Öffentlichkeit und sind durch den offensichtlich vordergründigen Sturz der Diktatoren interessant. Kaum einer bemerkt, dass es im Jemen, Jordanien, Griechenland, Portugal, Indien, Irland, Belgien und sehr vielen anderen Ländern ähnliche Bewegungen gibt, auch wenn sie NOCH nicht derart massiv ihre Ziele um zu setzen versuchen.

Zum anderen muss man bei der Ursachenfrage ein wenig tiefer graben, anstatt zu behaupten, die Menschen wären einer 30jährigen Diktatur heute, einfach mal so, überdrüssig geworden.

Der Anfang wurde spätestens zu Beginn der achtziger Jahre gesetzt, als die Zeiten des unbegrenzten Wachstums für Großkonzerne vorbei zu sein schienen. Die Lösung lag in einem ausufernden Lobbyismus, der fortan mehr und mehr die Geschicke der Politik zu lenken begann, bis die Politik wie wir sie heute kennen, nur noch zu einer willenlose Marionette verkam. Es war der Beginn der Globalisierung. Diese Globalisierung, unter dessen Deckmantel Bürgern immer neue Einschnitte als notwendiges Übel verkauft werden, steckt letztendlich hinter jedem, in der arabischen Welt ins Amt gehievten, Diktator. Diese Globalisierung steckt hinter dem Großteil unserer heutigen Gesetze, Bestimmungen und Steuern. Die Entwicklung, dass Superkonzerne das Staatswesen Stück für Stück aushebeln und zu Steuern beginnen, kann man auch gut im bereits 1999 erschienen Werk des Universitätsprofessors Martin van CreveldAufstieg und Untergang des Staates“ nachlesen.

Diese Globalisierung ist es auch, welche die Finanzkrise verursacht und ausgehebelt hat. Gern wird dargestellt das G.W. Bush, oder aber eine einzelne US Bank am Zusammenbruch 2008 schuld seien. Das ist natürlich Käse. Völlig außer Kontrolle geratene, anonym gesteuerte, weit verzweigte Konzerne haben unser Leben übernommen, steuern unsere Politik, unserer Arbeitsalltag wie auch unser Privatleben. Die Anfänge der Finanzkrise die wir bisher erleben durften, sind die logischen Auswirkungen eines völlig überdrehten wirtschaftlichen Systems.

Die Aufstände der letzten Monate sind Globalisierung, aber nicht im bisher üblichen Sinne. Sie ist die den Konzernen und der Politik aus den Händen geglittene Art der Globalisierung. Die Bürger büßen weltweit für die Folgen der Finanzkrise. Hunger, Steuererhöhungen, Einschnitte in die Sozialsysteme und Freiheiten. Die Konzerne wollten die Globalisierung der Märkte, für unbegrenzte Rendite und Wachstum, jetzt bekommen sie die Globalisierung der Bürger und die fordern unbegrenzte Freiheit und wirkliche Demokratie.

Als Folge dieses Prozesses sind natürlich Diktaturen und offensichtliche Scheindemokratien die ersten Opfer, aber danach wird es kein Stoppschild geben. Die erste Weltrevolution der Bürgerschaft hat eine klare Botschaft: Wir wollen nicht mehr belogen werden, wir wollen frei sein. Es langt nicht wenn ein Spitzenpolitiker abtritt und anstatt dessen eine weitere Systemmarionette folgt. Das System muss weg! Ein Satz der auf viele Länder zutrifft und in vielen Ländern notwendig ist.

Was wir heute erleben sind die Anfänge einer neuen weltweiten revolutionären Bewegung, ähnlich der 68er, nur massiver, breiter und entschlossener.