Ab heute startet die „zehn Sekunden“ Serie. Jeden Freitag um die Mittagszeit gibt es einen neuen Teil. Wer alle Teile am Stück lesen will, kann den Tag klicken. Natürlich erst wenn alle Teile online sind. In kürze ist die Geschichte auch komplett als e-book erhältlich.
Bin überall…
Schwingend, pulsierend, pfeifend, heulend, säuselnd, ganz leise.
Bin Kraft.
Bewege, wühle auf, trage fort, zerreiße.
Bin Leben.
Gebe Atem, gebe Kraft, bin der Raum und die Freiheit.
Bin das Wissen der Zeit und der Speicher der Geister.
Ich fliege, spüre das Auf und Ab der Ströme. Ich genieße das Kribbeln der Geschwindigkeit. Unter mir rasen Landschaften, Autobahnen, Verkehr, Züge, Stau.
Es treibt mich ab, weg von der Autobahn, über Felder und anrainende winzige Wälder. Die Luft wird klar, die Sonne heiß. Vögel zwitschern.
Über den Wald, hinter dem Feld, ein Traktor, ein Dorf, ein Haus, ein Hund, ein offenes Fenster.
Ein schäbiges Zimmer. Tapete aus den Siebzigern. Eine alte braun lackierte Kommode neben der Tür. Ein grünes, verschlissenes Samtsofa gegenüber. In der Ecke ein schwarzer, eckiger Plastikfernseher auf einem Campingtisch. Daneben eine abgewetzte Schrankwand aus den Dreißigern mit viel Nippes, Erinnerungen, Briefen, Fotos, Staub.
In einer Nische neben dem Sofa, eine kleine Küche mit einem alten Ofen, davor eine alte, gebückte Greisin, die in einem Kochtopf rührt. Sowie die Frau sich bewegt, oder Ihr Gewicht verlagert, knarrt der Unbehandelte, schmutzige Dielenboden.
Sie keucht, atmet schwer.
„Klack, klack“ der schwere Löffel berührt das Innere des Topfes.
Die Greisin hustet.
Sie ist allein.
Hinweg, hinfort, aus dem Fenster hinaus, hoch, auf in die Lüfte.
Hinweg, hinfort über den Hof, den Hund, den Traktor, dem Haus und dem Dorf.