Ich bin da.
Bebend, schlagend, wehend, sanft streichelnd.
Ich gebe Kraft.
Gebe vor, ziehe mit, lass erstarren und beende.
Ich bin flink wie der Wind und doch nur ein Hauch.
Gebe Atem, gebe Kraft, bin der Raum und die Freiheit.
Bin das Wissen der Zeit und der Speicher der Geister.

Ich fliege, spüre das auf und ab der Ströme. Ich genieße das kribbeln der Geschwindigkeit. Unter mir rast die Stadt, Verkehr, Busse und Bahnen.
Der Asphalt glüht, Motoren dröhnen, der Puls des Zentrums überdreht. Über den Park, die Bürogebäude, die Villen und die Mietskasernen, hinweg über parkende Autos, rüber zu dem alten Wohnblock.
Ein zugiger Spalt in einem alten Fenster.

Eine muffige Küche. Altbacken eingerichtet. Zusammengewürfelte Stühle und Möbel. Alte Emailtöpfe, gehäkelte Topflappen, dazwischen Dosen mit fertigen Spagetti. Unabgewaschenes Geschirr in der Spüle, der Tisch speckig und karg gedeckt. Es riecht leicht verbrannt.

Am Tisch eine junge Frau und ein Mann. Sie schweigen, essen. Die Löffel klingen hell beim berühren der Teller.
„kling, kling“

„ich weiß wirklich nicht wie ich das schaffen soll“ sagt die Frau.
Der Mann schweigt, schaut nicht, isst weiter.

„kling, kling“
Die Frau schaut wieder auf ihren Teller, isst.

Hinweg, hinfort, aus dem Fenster hinaus, hoch, auf in die Lüfte.
Hinweg, hinfort über Block, parkende Autos, die Mietskasernen und den Park.

Ab heute startet die „zehn Sekunden“ Serie. Jeden Freitag um die Mittagszeit gibt es einen neuen Teil. Wer alle Teile am Stück lesen will, kann den Tag klicken. Natürlich erst wenn alle Teile online sind. In kürze ist die Geschichte auch komplett als e-book erhältlich.

Bin überall…
Schwingend, pulsierend, pfeifend, heulend, säuselnd, ganz leise.
Bin Kraft.
Bewege, wühle auf, trage fort, zerreiße.
Bin Leben.
Gebe Atem, gebe Kraft, bin der Raum und die Freiheit.
Bin das Wissen der Zeit und der Speicher der Geister.

Ich fliege, spüre das Auf und Ab der Ströme. Ich genieße das Kribbeln der Geschwindigkeit. Unter mir rasen Landschaften, Autobahnen, Verkehr, Züge, Stau.
Es treibt mich ab, weg von der Autobahn, über Felder und anrainende winzige Wälder. Die Luft wird klar, die Sonne heiß. Vögel zwitschern.
Über den Wald, hinter dem Feld, ein Traktor, ein Dorf, ein Haus, ein Hund, ein offenes Fenster.

Ein schäbiges Zimmer. Tapete aus den Siebzigern. Eine alte braun lackierte Kommode neben der Tür. Ein grünes, verschlissenes Samtsofa gegenüber. In der Ecke ein schwarzer, eckiger Plastikfernseher auf einem Campingtisch. Daneben eine abgewetzte Schrankwand aus den Dreißigern mit viel Nippes, Erinnerungen, Briefen, Fotos, Staub.
In einer Nische neben dem Sofa, eine kleine Küche mit einem alten Ofen, davor eine alte, gebückte Greisin, die in einem Kochtopf rührt. Sowie die Frau sich bewegt, oder Ihr Gewicht verlagert, knarrt der Unbehandelte, schmutzige Dielenboden.
Sie keucht, atmet schwer.
„Klack, klack“ der schwere Löffel berührt das Innere des Topfes.
Die Greisin hustet.
Sie ist allein.

Hinweg, hinfort, aus dem Fenster hinaus, hoch, auf in die Lüfte.
Hinweg, hinfort über den Hof, den Hund, den Traktor, dem Haus und dem Dorf.

Hach, es passt so schön und ich find es immer wieder herrlich zu lesen:

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
durch des Frühlings holden belebenden Blick,
im Tale grünet Hoffnungsglück;
der alte Winter, in seiner Schwäche,
zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
ohnmächtige Schauer körnigen Eises
in Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
überall regt sich Bildung und Streben,
alles will sie mit Farben beleben;
doch an Blumen fehlt’s im Revier,
sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
nach der Stadt zurückzusehen!
Aus dem hohlen, finstern Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
denn sie sind selber auferstanden:
aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
aus den Straßen quetschender Enge,
aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
durch die Gärten und Felder zerschlägt,
wie der Fluß in Breit und Länge
so manchen lustigen Nachen bewegt,
und, bis zum Sinken überladen,
entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel,
zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!

Johann Wolfgang von Goethe

Arrogant, zickig selbstverliebt
Neue Werte schaffend
Bestimmend, bandenlos
Vergleichender Materialismus
Doch keiner weiß wofür

Keifende Erwartungshaltung
Wertfrei kommerzialisiert
Rassistisch hetzend
Geschlechtslose Ressentiments
Doch keiner weiß wofür

Nie kein Konsument gewesen
Immer bereit, Werbung erwartend
Popstars sind Helden,
die Feuerwehr ein Job
denn keiner weiß wofür

nie die normale Welt erblickt
keine Möglichkeit sich an zu passen
gleichgeschaltete maschinenwesen
Heilung nicht möglich
und keiner weiß wofür

der Mann die frau 08
erschafft sich seinesgleichen
Robotermensch des Westens
wo willst du denn hin
und keiner weiß wofür

Den Kopf gehoben stolz die Brust
Studium Kind Karriere
Alles auf einmal
Unmöglich- man probiert`s
Doch keiner weiß wofür

Sich selbst zu hässlich
Schick gemacht für andere
Der eigene Mann
Stets unberührt
Denn keiner weiß wofür

Beziehungen Weils leicht ist
Geld, Gewohnheit und Trott
Jeder Schritt berechnet
Das Leben weg geworfen
Denn keiner weiß wofür

Gefühle ein Wettbewerb
Man muss alles zeigen
Wenig können aber alles tun
Das poliert das Image den Selbstwert
Man weiß nur nicht wofür

Seelenlose Wracks ohne Ziel
Konsumieren funktionieren
Die Menschmaschine ist real
Danke Emanzipation
Und keiner weiß wofür

Geld, Macht, Autos, Frauen
Alles wollen, nichts haben
Chef der Illusionen, der Wünsche
Führer ohne Volk
Denn keiner weiß wofür

Spielball der Frauen,
Frauen als Spielball
Zur Liebe kaum fähig
man versucht’s- immer wieder
Doch keiner weiß wofür

Wer´s tut ist Patriarch
Wer nicht ist wertlos
Der Stellung enthoben
Und doch verantwortlich
Doch keiner weiß wofür

Zielloses irren, Bestimmung suchend
Markige Sprüche, ohne Bühne
Lächerlich, leer, missverstanden
Dem Teufel verfallen
Doch keiner weiß wofür

Einste Stärke verbergen
Gefühle zeigen
Klischees zerstören
Wie sich selbst
Denn keiner weiß wofür