Die Meldung dürfte das deutsche Bildungsbürgertum bis ins Mark erschüttert haben – der allseits beliebte Fernsehsender 9Live hat gestern, am 8. August anno 2011, endgültig seinen Sendebetrieb eingestellt. Man schwächelte schon seit längerer Zeit und zeigte seit Juni dieses Jahres nur noch Sendungen aus der Konserve.
Wenn in einigen Wochen die bittersten Tränen der früheren Zuschauergemeinde getrocknet sein werden, erscheint eine gründliche Aufarbeitung angebracht, auch um individuelle Lebenskrisen nach dem Dahinscheiden eines für viele zum Freund und alltäglichen Begleiter gewordenen Sendeformats zu vermeiden.
Was soll man mit seinem Tag anfangen, wenn es keine Sendungen mehr gibt, in denen studierte Astrologen die nähere und ferne Zukunft professionell vorhersagen? Wie um Gottes willen soll man den Tag nun sinnvoll verbringen, aller Chancen beraubt, an kurzweiligen und intellektuell anspruchsvollen Quizfragen zu partizipieren? Wo, gerade in Anbetracht gebeutelter Aktienmärkte, soll der Kleinsparer nun sein Geld investieren, wenn nicht in monatliche Telefonrechnungen, die größtenteils an 9Live gingen? Wo wird einem nun im Bett das Einschlafen versüßt, wenn nicht mehr spärlich bekleidete Damen (je nach persönlichem Gusto auch gerne mal jenseits der 2-Zentner-Grenze) in possierlicher Art und Weise ihre Bereitschaft zu einem Gute-Nacht-Telefongespräch offerieren? Und was wird schließlich aus all den sympathischen Moderatoren, von denen ZDF, arte und Co. nur träumen können. Zweifelsfrei stehen hier persönliche Schicksale auf dem Spiel. Nicht alle haben sicher das Glück, wie Jürgen Milski (Ex-Big-Brother-Bewohner, Gesangs- und Multitalent schlechthin – Anm. d. A.) und moderieren bereits wieder Werbesendungen, diesmal für Vodafone!
Es gibt jedoch einen Lichtblick am Ende des Tunnels. Nach Ende der persönlichen Trauerzeit stehen dem geneigten Zuschauer lukrative Alternativformate zur Wahl. Bildungskanäle wie RTL werden sicherlich mit Premiumprogrammen wie „Mitten im Leben“ den Einstieg in ein Leben nach 9Live erleichtern. Ansonsten gibt es ja immer noch Tine Wittler, Barbara Salesch oder Vera Int Veen. Also Kopf hoch – das Leben geht weiter – irgendwie.