Die Unruhen in der arabischen Welt, insbesondere in Ägypten, beherrschen nach wie vor die Medienlandschaft. Fast überall in freiheitsliebenden Ländern (außer im Falle von nicht ernstzunehmenden Politikern wie Berlusconi) werden die Bemühungen der Araber um ein Ende jahrzehntelanger Diktatur und Unterdrückung begrüßt. Just in diese Welle der internationalen (geheuchelten) Betroffenheit warten deutsche Spitzenpolitiker mit einem neuen Geistesblitz auf: Warum Mubarak nicht nach Deutschland einladen?
Kurz zum Hintergrund. Die Luft wird für Mubarak nach 30 Jahren eisernen Herrschens langsam knapp in Kairo. Zeit also, sich Gedanken um die eigene Zukunft zu machen. Noch gibt man sich stur, Massendemonstrationen interessieren ihn wie Meinungen aus dem Ausland überhaupt nicht, schließlich will man ja „in Ägypten sterben“. Stattdessen wird auf Zeit gespielt und zaghafte Reförmchen ins Auge gefasst. Natürlich bleibt während dieser Phase der präsidentialen Meinungsbildung das Internet erstmal zumindest teilweise blockiert und der Lügen verbreitende Hetzsender Al-Jazeera abgeschaltet. Unterdessen gehen die Massendemonstrationen weiter. Es bleibt also spannend, wie und vor allem wann das bereits begonnene Ende der Ära Mubarak zum Abschluss kommt.
Einen Trumpf hat man noch im Ärmel: Man ist krank. Dies ist ein weiteres Phänomen, dass man bei sehr vielen Diktatoren findet. Bis gestern noch im Amt, man fühlte sich pudelwohl (alles andere hätte ja auch als Schwäche gedeutet werden können und die Macht gefährdet). Wenn da nicht die Demonstranten wären, würde man auch mit 82 Jahren in die nächste Präsidentschaft gehen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Also sind wir schonmal krank. Diese Strategie wurde schon von Honecker und kürzlich auch Ben Ali praktiziert. Und obwohl es dem Land unter der eigenen Diktatur ja blühend ging, muss man sich natürlich im Ausland behandelt lassen. Versteht sich von selbst.
Soweit so gut. Was um Himmels Willen reitet jetzt aber deutsche Politiker sich UNGEFRAGT in einer derartig peinlich-dümmlichen Art und Weisen anzubiedern, Herrn Mubarak aufzunehmen? Laut Regierungssprecher gab es keinerlei Anfrage Mubaraks, nach Deutschland auszureisen. Schade, finden manche deutsche Politker – bieten wir es ihm doch explizit an. Laden wir ihn doch auch dieses Jahr wieder zum Kuren in Deutschland ein und bieten ihm an, diesen Aufenthalt auf unbegrenzte Zeit zu verlängern (wahrscheinlich auch noch auf Steuerzahlerkosten, damit sein 70 Mrd.-Dollarvermögen unangetastet bleibt, falls mal schlechte Zeiten kommen).
Leichte bis mittelschwere Übelkeit befällt den geneigten Leser jedoch spätestens, wenn man sich die Begründung unserer Politiker für diese Anbiederung an einen Diktator anhört. Die Schwachsinnspalette reicht hier von „humanitären Gründen“ bis hin zu „Mubarak einen würdigen Abgang ermöglichen“.
Welcher Abgang ist wohl eines Dikators a la Mubarak würdig? Einem Mann, der sich schamlos aus der Staatskasse bediente, der die Korruption zum Staatswesen machte, der seit 30 Jahren den Ausnahmezustand aufrecht erhält, der einen Polizeistaat aufgebaut hat, Andersdenkende ins Gefängnis warf und foltern lies? Der einzig würdige Abgang für einen derartigen Verbrecher ist die Verhaftung und Anklage. Komischerweise wurde genau so damals mit Honecker verfahren und der war kein so großes Kaliber wie Mubarak. Na gut, Honecker hatte kein Erdöl. Hundertmal am Tag hört man von deutschen Politikern, „das Schicksal Ägyptens solle allein in den Händen der Ägypter liegen“. Richtig. Und dazu gehört auch das Schicksal des (noch amtierenden) Präsidenten. Ob dieser außer Landes gejagt wird, verurteilt und inhaftiert wird oder an die Wand gestellt wird, geht Deutschland mit Verlaub einen feuchten Kehrricht an. Also bitte den Mund halten und nicht ungefragt derartig fragwürdige Angebote machen. Es könnte in der Welt missverstanden werden.
Sollt es aber tatsächlich dazu kommen, dass Mubarak hierzulande auftaucht und ihm Unterschlupf gewährt wird, bleibt von Herzen zu Wünschen, dass die Demonstrationen, die derzeit in Ägypten stattfinden 1:1 vor den Reichstag verlagert werden.
supi, auf der demo bin ich dann auch dabei :o)
Interessante Wortmeldung heut vom neuen ägyptischen Vizepräsidenten. Von Seiten Mubaraks hätte es niemals so ein Ansinnen gegeben, nach Deutschland zu gehen. Merkel und Deutschland sollen es bitte unterlassen, sich in so eklatanter Art und Weise in ägyptische Belange einzumischen.
Sehr richtig.