die globalisierte Bewegung der Wutbürger

Für die deutschen Medien, welche so eben erst den „Aufstand der arabischen Welt“ entdeckt haben, ist die ganze Nummer noch ein normaler Regimesturz. Andere Schreiberlinge bemühen sich emsigst Glauben zu machen, es gehe eine islamistisch, terroristische Gefahr vom Freiheitswillen der arabischen Mittelschicht aus.

Doch nirgends habe ich gelesen, dass jemand die Ereignisse in die richtigen Zusammenhänge der letzten 30 Jahre bringt. Daher will ich das heute tun:

Warum gehen ausgerechnet jetzt die Bürger der halben arabischen Welt auf die Straßen?

Zum einen liegt ein Missverständnis vor. Nicht die halbe arabische Welt, sondern die halbe Welt als solches. Tunesien, Marokko, Ägypten stehen bis jetzt nur im Schlaglicht der Öffentlichkeit und sind durch den offensichtlich vordergründigen Sturz der Diktatoren interessant. Kaum einer bemerkt, dass es im Jemen, Jordanien, Griechenland, Portugal, Indien, Irland, Belgien und sehr vielen anderen Ländern ähnliche Bewegungen gibt, auch wenn sie NOCH nicht derart massiv ihre Ziele um zu setzen versuchen.

Zum anderen muss man bei der Ursachenfrage ein wenig tiefer graben, anstatt zu behaupten, die Menschen wären einer 30jährigen Diktatur heute, einfach mal so, überdrüssig geworden.

Der Anfang wurde spätestens zu Beginn der achtziger Jahre gesetzt, als die Zeiten des unbegrenzten Wachstums für Großkonzerne vorbei zu sein schienen. Die Lösung lag in einem ausufernden Lobbyismus, der fortan mehr und mehr die Geschicke der Politik zu lenken begann, bis die Politik wie wir sie heute kennen, nur noch zu einer willenlose Marionette verkam. Es war der Beginn der Globalisierung. Diese Globalisierung, unter dessen Deckmantel Bürgern immer neue Einschnitte als notwendiges Übel verkauft werden, steckt letztendlich hinter jedem, in der arabischen Welt ins Amt gehievten, Diktator. Diese Globalisierung steckt hinter dem Großteil unserer heutigen Gesetze, Bestimmungen und Steuern. Die Entwicklung, dass Superkonzerne das Staatswesen Stück für Stück aushebeln und zu Steuern beginnen, kann man auch gut im bereits 1999 erschienen Werk des Universitätsprofessors Martin van CreveldAufstieg und Untergang des Staates“ nachlesen.

Diese Globalisierung ist es auch, welche die Finanzkrise verursacht und ausgehebelt hat. Gern wird dargestellt das G.W. Bush, oder aber eine einzelne US Bank am Zusammenbruch 2008 schuld seien. Das ist natürlich Käse. Völlig außer Kontrolle geratene, anonym gesteuerte, weit verzweigte Konzerne haben unser Leben übernommen, steuern unsere Politik, unserer Arbeitsalltag wie auch unser Privatleben. Die Anfänge der Finanzkrise die wir bisher erleben durften, sind die logischen Auswirkungen eines völlig überdrehten wirtschaftlichen Systems.

Die Aufstände der letzten Monate sind Globalisierung, aber nicht im bisher üblichen Sinne. Sie ist die den Konzernen und der Politik aus den Händen geglittene Art der Globalisierung. Die Bürger büßen weltweit für die Folgen der Finanzkrise. Hunger, Steuererhöhungen, Einschnitte in die Sozialsysteme und Freiheiten. Die Konzerne wollten die Globalisierung der Märkte, für unbegrenzte Rendite und Wachstum, jetzt bekommen sie die Globalisierung der Bürger und die fordern unbegrenzte Freiheit und wirkliche Demokratie.

Als Folge dieses Prozesses sind natürlich Diktaturen und offensichtliche Scheindemokratien die ersten Opfer, aber danach wird es kein Stoppschild geben. Die erste Weltrevolution der Bürgerschaft hat eine klare Botschaft: Wir wollen nicht mehr belogen werden, wir wollen frei sein. Es langt nicht wenn ein Spitzenpolitiker abtritt und anstatt dessen eine weitere Systemmarionette folgt. Das System muss weg! Ein Satz der auf viele Länder zutrifft und in vielen Ländern notwendig ist.

Was wir heute erleben sind die Anfänge einer neuen weltweiten revolutionären Bewegung, ähnlich der 68er, nur massiver, breiter und entschlossener.

2 Kommentare

  1. Ich will ja nciht den Wind gleich aus den Segeln nehmen, aber das Wort Wutbürger ist doch nun wirklich überreizt und ich muss einfach los werden, dass diese neue Bewegung nicht so neu ist. Es gab immer und wird immer Systemumweltzungen geben. Wir haben keine Gerade die auf eine bessere Welt weißt und letztlich alle Staaten in Demokratien und schöne Welten verwandelt. Es ist eher so, dass die Statik der europäischen oder westlichen Systeme ungewöhnlich ist. Der Systemwandel in der restlichen Welt von Diktaturen zu Demokratien und umgekehrt ist eher ungewöhnlich. Und nehmen wir doch nur Ägypten, da sieht es stark danach aus, dass auch der Iran Vorbild des neuen Staates sein könnte. Es gibt keine einheitlichen Proteste Weltweit, dafür sind die Themen und Ideen dahinter zu verschieden

  2. Hi,

    vorweg- Wutbürger- ist natürlich nicht meiner Feder entsprungen, sondern es ist der Name der Politik für die Querulanten in Stuttgart und Berlin :D.
    http://www.tagesschau.de/inland/wortdesjahres106.html

    Zu dem sehe ich sehr wohl einen Zusammenhang in westlicher Globalisierung, Weltwirtschaftskrise, steigenden Erzeugerpreisen und Ländern in denen die westliche Welt seit Jahrzehnten Despoten stützt und fördert.

    Auch der ehem. US Politikberater Zbigniew Brzezinskis hat während einer Rede vor dem Council on Foreign Relations in 2010 vor dem „globalen weltweiten erwachen der Massen“ gewarnt. Seine Rede findest du hier:
    http://www.freitag.de/community/blogs/reimers/zbigniew-brzezinsky-das-globale-erwachen-und-mehr

    Auszüge liest du hier:
    http://infowars.wordpress.com/2011/01/31/das-von-brzezinski-befurchtete-%E2%80%9Eweltweite-erwachen%E2%80%9C-der-massen-ist-jetzt-da/

    Folgender Auszug aus seiner Rede unterstützt und unterstreicht das von mir gesagte sicherlich stark:
    „Das erste Mal in der Geschichte der Menschheit ist nun praktisch die gesamte Menschheit politisch aktiv – sie hat ein politisches Bewusstsein und wirkt politisch aufeinander ein…Der sich daraus ergebende weltweite politische Aktivismus führt zu einem starken Anwachsen des Strebens nach persönlicher Würde, kulturellen Respekt und wirtschaftlichen Möglichkeiten, in einer Welt, die schmerzlich durch die Erinnerungen jahrhunderterlanger Kolonialisierung oder imperialer Herrschaft mit Narben übersät ist…

    Das weltweite Verlangen nach menschlicher Würde ist eine zentrale Herausforderung, die dem Phänomen des globalen Erwachens innewohnt…Dieses Erwachen ist gesellschaftlich massiv und politisch radikalisierend…Der praktisch universelle Zugang zu Radio, Fernsehen und zunehmend auch zum Internet schafft eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Auffassungen und des Neides, welche die Menschen aufrütteln kann und durch welche politisch-demagogische oder religiöse Leidenschaften kanalisiert werden. Diese Energien überschreiten Landesgrenzen und stellen eine Herausforderung für die bestehenden Staaten sowie die bestehende globale Hierarchie dar, an deren Spitze sich Amerika aktuell noch befindet…“

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