Neues aus der Sprachpanscher-Werkstatt

„Wer seine Sprache mit Englisch garniert, gibt sich weltgewandt und modern. Und kann sich abgrenzen gegen all jene, die ihn nicht verstehen sollen, weil er in Wahrheit gar nichts mitzuteilen hat.“ (Bastian Sick)

Dass die Deutschen ein Volk von Sprachpanschern sind dürfte hinreichend bekannt sein. Es gibt wohl keine Nation in der Welt, die so wenig Wert auf die eigene Sprache legt, die in allen Lebenssituationen zunehmend auf die Muttersprache verzichtet und diese willfährig mit (auch noch gleich bedeutenden) Vokabeln aus dem Englischen verschandelt. Geschieht dies im Privaten, ist dies das Problem eines jeden Einzelnen. Passiert es jedoch, wie in Deutschland an der Tagesordnung, im öffentlichen Bereich, ist dies inakzeptabel.

Ein Unternehmen, welches sich bei der Verhunzung unserer Muttersprache immer wieder hervortut, ist die Deutsche Bahn. Von Ticket-Point (was den guten alten Fahrkartenschalter abgelöst hat) bis hin zu zur DB Lounge (was früher einmal der Wartesaal war) – überall wird man mit Anglizismen belästigt. Neulich unternahm ich eine Bahnfahrt nach Halle an der Saale und traute nach Verlassen des Bahnhofsgebäudes kaum meinen Augen, folgendes Schild (wohlgemerkt in einer deutschen Stadt) vorzufinden:

 Was soll das bitteschön darstellen? Werbung für ein Bordell? Eine Partnervermittlung? Küssen und Reiten? Nein, nichts dergleichen. Es handelt sich um Kurzzeitparkplätze. Man möge (muss aber nicht) den oder die Liebste küssen und dann den Wagen schnell wieder wegfahren. Diese Schöpfung stammt aus den USA und wird nicht einmal in Großbritannien verstanden. Abgesehen davon, dass dieses Schild sowohl gegen die deutsche als auch die englische Rechtschreibung verstößt, was hat  die Deutsche Bahn geritten, mit derartigem Schwachsinn deutsche Parkplätze zu verschandeln? Laut einer Untersuchung sprechen in Deutschland 60% der Bevölkerung entweder gar kein Englisch oder tun dies nur unzureichend. Man schließt also die Mehrheit der eigenen Bevölkerung von der Kommunikation im eigenen Land aus. Fein gemacht Deutsche Bahn. Fehlt nur noch, dass das Ordnungsamt Strafzettel (Verzeihung: parking tickets) verteilt, weil man zu lange auf einem Kiss & Ride-Parkplatz gestanden hat.  Tipp: Vielleicht das Geld weniger in solche Sinnlos-Kreativaktionen stecken, sondern eher in den Servicebereich.

Ein weiterer Bereich, wo der Englischwahn skurile Blüten treibt ist die Werbung. Gestern im TV: „Ruf an und teste neue von der Community entwickelte Games“. Hilfe – wo ist mein Kübelchen? Schlimmer geht’s kaum noch. Ich höre schon die Argumente der Macher (oder maker?): „Die Werbung zielt auf Jugendliche ab und die verstehen das“. Na und. Mag sein, dass sie es verstehen. Dennoch befinden wir uns immer noch in Deutschland und die Landessprache ist Deutsch. Die anvisierten Kunden dürften auch vorrangig Deutsche sein. Warum gibt man dann die eigene Sprache auf? Ganz einfach. Forschungen haben herausgefunden, dass je minderwertiger und nichtssagender Produkte sind, desto häufiger werden sie auf Englisch (oder einem Kauderwelsch-Gemisch aus Englisch und Deutsch) beworben, weil man so irrtümlicherweise meint, sie würden dadurch interessanter. Kein Wunder also, dass Jugendliche (deren Hauptinteressen nicht der Schule oder Berufswahl, sondern Klingeltönen, Mobiltelefonen und Computerspielen gilt) keine andere Sprache als dieses von der Werbung aufgedrückte Geschwafel beherrschen und die eigene Muttersprache dabei verkümmert.

Aber nicht nur Jugendliche werden im Alltag durch Anglizismen belästigt. Auch für Erwachsene gibt es kein Entrinnen. Vorbei die guten alten Zeiten von Sommer- oder Winterschlussverkauf. Der moderne Deutsche geht zum Sale (obwohl ein Großteil der Menschen dieses Wort noch nicht einmal richtig aussprechen kann, aber das macht ja nix). Betritt man Galeria Kaufhof-Filialen sieht man Rot. Wo man auch hinschaut, man wird erschlagen von einem roten Schildermeer – Sale, Sale und nochmals Sale. Komplettiert wird der Wahnsinn durch Radiowerbung: „Kommen Sie zum Sale bei Galeria Kaufhof“. Einfach nur widerlich. Wo liegt der Grund, weitaus besser klingende deutsche Worte wie „Schlussverkauf“, „Sonderangebot“ oder einfach „Aktion“ durch ein gleichbedeutendes englisches Wort, dass zudem nicht von allen verstanden wird, zu ersetzen?

Dankenswerterweise gibt es Verbände und Vereine die gegen dieses Raubrittertum an der deutschen Sprache vorgehen. Stellvertretend genannt sei der „Verein der deutschen Sprache“, die mit bundesweiten Aktionen auf diesen Missstand aufmerksam machen und regelmäßig den „Sprachpanscher des Jahres“ küren.

Dem genervten Bundesbürger ist anzuraten, entweder derartige Unternehmen zu boykottieren (sofern überhaupt noch möglich) oder durch entsprechende Schreiben auf herkömmlichen oder elektronischem Weg seinen Unmut zu äußern. Dies kann durchaus wirksam sein. Die Deutsche Bahn hat aufgrund solcher Aktionen ein Zurückrudern signalisiert und versprach, ihr Dickicht an unverständlichen englischen Ausdrücken zu lichten und wieder zur deutschen Sprache zurück zu kehren.

Perspektivisch sollte von Seiten der Politik jedoch darauf gedrungen werden, endlich Deutsch als Landessprache in die Verfassung aufzunehmen und wie in anderen Ländern auch üblich, Quoten für die Benutzung von englischen Ausdrücken einzuführen bzw. deren Benutzung in öffentlichen Bereichen ganz zu untersagen. Wir sind dies unserer Sprache, vor langer Zeit einmal einer Kultursprache etwa eines Goethe oder Schiller, schuldig.

6 Kommentare

  1. Bravo!!! Endlich mal jemand, der das ausspricht, was sich jeder denkt. Hört endlich auf mit der Verschandelung der deutschen Sprache.

    Gleich weitermachen könnte man beim Essen. Ich finde es traurig, dass die Deutsche Küche immer weiter an Bedeutung verliert, weil man der Meinung ist, dass man sich jetzt in jeder Kantine, in jedem Restaurant international geben muss. Wer ist heute eigentlich noch in der Lage, traditionelle deutsche Küche selbst zu kochen??? Die Frage ist, ob die bedingungslose Internationalisierung und Interkulturalisierung der verschiedenen Völker so sinnvoll ist und keine Gefahren in sich birgt?

  2. Ich glaube das Problem ist das Resultat der Besatzung nach dem WK2 und der aus Schuldgefühl resultierenden vollkommen Selbstaufgabe der eigenen Kultur.

    Wenn man überlegt, das eine Partei wie die Grünen offen „antideutsch“ ist, sich lieber als Weltbürger oder Bestandteil einer anonymen Multikultikultur versteht, ist es kein Wunder das man seine eigene Vergangenheit, Kultur und Sprache nicht mehr pflegt.

    Hinzu kommen Globalisierungstendenzen. Maggi Fix Tüten in den Topf zu rühren, zählt in Frankreich wie auch in Deutschland als „kochen“ und wenn ein Manager der Douglas Kette den Slogan „come in and find out“ abnickt, zählt er eben für ganz Douglas und prägt damit das Bild der Innenstädte in halb Europa…

  3. Traurig aber wahr. Und so ist es in allen Lebensbereichen. Wer gibt denn noch zu deutsche Musik zu hören. Wenn, wird man oft dafür belächelt.

    Aber die Deutschen haben sich ja schon immer ungefragt allem untergeben. Wohin das führen kann, wissen wir ja.

    Und diese Interkulturalisierung wird wohl letzten Endes auf eine Amerikanisierung hinauslaufen, was sicher nicht unbedingt erstrebenswert ist. Aber solange die Politik das vorlebt, findet das natürlich auf Normalbürger-Ebene statt. Deutschland als größter Zahlmeister der EU, könnte sich ja mal für die Stärkung der deutschen Sprache einsetzen. Aber nein, deutsche Politiker halten ihre Reden in (grottenschlechtem) Englisch (siehe Oettinger). So eine Aufgabe der eigenen Kultur ist wohl einmalig auf der Welt.

  4. Ich kann die massive Kritik NICHT verstehen, wie man in jedem Sprachstudium lernt, ist die Übernahme von fremden Wörtern ein völlig normaler Prozess und wird als Sprachentwicklung und nicht „aussterben“, „verdummung“ „panschen“ oder sonstiges verstanden.

    Außerdem gab es auch im Mittelalter schon immer wieder Versuche die deutsche Sprache zu „erhalten“, nämlich eine Entwicklung zu verhindern. Und sowas gibt es ja heute noch.

    Und am Ende wird dem ganzen noch die Krone aufgesetzt und man kommt wieder mit Goethe und Schiller an die ja so wunderbare Sprachformer der Deutschen Sprache gewesen seien. Man sollte dabei immer bedenken, dass damals nur äußerst wenige Menschen das Glück hatten alphabetisiert gewesen zu sein, diese beiden damit eben auch nicht viele Konkurrenten zu fürchten hatten. 😉

    Sicher gibt es auch sinnlose Dinge, wie der angesprochene Parkplatz. Aber Worte wie „Community“ und „Games“ sind eben im Bezug auf das Internet schon völlig geläufig.

    Am Ende sehe ich es so: Wäre die Sprache nicht schon immer frei in ihrer Entwicklung gewesen, gäbe es auch heute noch eine Laut- und Grunz“sprache“ wie die des Affen! 😀

  5. Als Linguist kann ich sagen, dass die angeführten Beispiele und eine Vielzahl anderer nichts mit Sprachentwicklung zu tun haben. Natürlich findet diese auch und ständig statt. Allein die Flut technischer Neuerungen bringt eine Vielzahl an Fremdworten mit sich. Diese Beispiele beziehen sich zumeinst auf diverse Fachsprachen und finden von dort unter Umständen Eingang in die Allgemeinsprache. Diese Entwicklung ist auch keinesfalls zu bemängeln, da für diese Dinge erst zum Teil umständlich klingende deutsche Entsprechungen gesucht werden müssten (Laptop – Klapprechner etc.)

    Der obige Artikel wendet sich hingegen gegen den bloßen Austausch lang etablierter deutscher Begriffe durch exakt das gleiche Wort in einer anderen Sprache, in dem Fall Englisch. Dies ist keine Sprachentwicklung. Dazu gibt es diverse wissenschaftliche Untersuchungen, die die Gründe dieses Trends beleuchten.

    Schließlich bleibe ich dabei, dass die deutsche Sprache mit dieser Überbenutzung von Anglizismen, was gerade in der Experten-Laien-Kommunikation sowie in der Alltagssprache nicht unproblematisch ist, allein auf weiter Flur steht.

  6. Verstärkte Proteste scheinen etwas bewirkt zu haben. Der Kaufhof-Spot wurde abgesetzt und durch einen anderen ersetzt, in dem nicht mehr von SALE die Rede ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert